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Eine Rendite-Risiko-Analyse von Aave, Compound & Spark

1. Warum ein hoher APY nicht automatisch ein gutes Investment ist

Stablecoins zu verleihen und dafür Zinsen zu erhalten gilt für viele als der konservative Einstieg in DeFi. Plattformen wie Aave, Compound oder Spark.fi versprechen auf den ersten Blick attraktive Renditen – oft deutlich über dem, was Banken für Tagesgeld oder Staatsanleihen zahlen.

Doch der Eindruck trügt: Anders als im traditionellen Finanzwesen gibt es in DeFi kein Zinsversprechen, keine Bonitätsprüfung, keinen fixierten Referenzzins. Der „APY“ entsteht dynamisch – durch Angebot und Nachfrage, Protokollparameter, Anreizsysteme. Und genau das macht die Bewertung schwieriger.

In klassischen Portfolios ist es selbstverständlich, Rendite im Verhältnis zum Risiko zu analysieren. In DeFi dagegen wird oft nur der Zinssatz betrachtet, ohne die dahinterliegenden Risikotreiber zu verstehen. Dabei kann ein hoher APY genauso gut auf Stress, Illiquidität oder aggressives Nutzerverhalten hindeuten – und ist damit möglicherweise ein Warnsignal, nicht ein Versprechen.

In diesem Artikel zeigen wir exemplarisch, wie man ein strukturiertes Risikoassessment für Lending-Strategien durchführen kann.
Unser Ziel: Ein stabiler, berechenbarer Ertrag – über dem Niveau klassischer Anlagen, aber unter Berücksichtigung der jeweiligen Risikostruktur.

Dazu vergleichen wir drei reale Plattformen, bewerten historische Trends, analysieren Indikatoren und leiten Massnahmen ab. Nicht als theoretisches Modell – sondern als konkrete Entscheidungsgrundlage für alle, die Kapital in DeFi strategisch allokieren möchten.


2. Investmentziel und Ausgangslage

Bevor wir Risiken bewerten, brauchen wir ein Ziel. In diesem Fall ist das Ziel klar definiert:

Ziel:
Ein stabiler, planbarer Zinsertrag auf Stablecoin-Basis, der über dem aktuellen Niveau risikoarmer Staatsanleihen liegt.

Im traditionellen Finanzwesen würde man sagen: „Wir suchen einen risiko-adjustierten Überschussrendite gegenüber der risikolosen Anlage.“ In der Praxis heisst das:

Wenn die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen bei etwa 4.5 % liegt, dann sollten unsere Lending-Strategien dauerhaft darüber performen – idealerweise mit möglichst geringer Volatilität und ohne signifikanten Kapitalverlust.

Doch anders als bei Staatsanleihen steht in DeFi keine zentrale Instanz für die Rückzahlung gerade. Stattdessen konkurrieren verschiedene Lending-Protokolle darum, Liquidität anzuziehen – mit unterschiedlichen Mechanismen, Nutzerprofilen und technischen Grundlagen.

Unsere Ausgangslage:
Wir haben drei Kandidaten für eine Stablecoin-Anlage im Blick:

  1. Aave (v3)
    Etabliert, mit hoher Liquidität und konservativen Parametern. APY entwickelt sich relativ stabil, schwankt aber bei Nachfrageschocks.

  2. Compound (v3)
    Reagiert schneller auf Marktveränderungen, zeigt kurzfristig höhere Zinsspitzen – aber auch stärkere Ausschläge in beide Richtungen.

  3. Spark.fi
    Ein neuerer Player, unterstützt durch MakerDAO. Bietet aktuell den höchsten Zins, hat aber geringere Liquidität und weniger Datenhistorie.

Unser Ziel ist nicht, „die höchste Rendite“ zu jagen – sondern das beste Rendite-Risiko-Verhältnis, gemessen an Stabilität, Vorhersagbarkeit und fundamentaler Belastbarkeit der Plattform.


3. Wie wir Lending-Plattformen vergleichen

Im klassischen Anlageprozess würde man bei verschiedenen Anbietern von Festgeld oder Obligationen auf Zinssätze, Laufzeit, Ausfallrisiko und Liquidität achten. In DeFi sind die Parameter vergleichbar – aber subtiler. Die Zinssätze sind variabel, Liquidität kann in Sekunden verschwinden, und statt Ratings gibt es... GitHub-Repositories.

Um Licht ins Dunkel zu bringen, greifen wir auf unser Web3 Open Risk Framework zurück. Es erlaubt, Risiken strukturiert zu erfassen, mit klaren Indikatoren zu verknüpfen und fundierte Entscheidungen zu treffen. Für unser Ziel – Rendite mit Substanz statt Zahlenspielerei – nutzen wir drei konkrete Messgrössen:

1. Lending APY Trend
Der historische Verlauf des Zinssatzes zeigt, wie stabil oder sprunghaft die Erträge einer Plattform sind.
→ Ein konstanter Zins spricht für Nachfrage und Planbarkeit, starke Ausschläge deuten auf spekulatives Verhalten hin.

2. Utilization Ratio
Diese Kennzahl zeigt, wie viel der verfügbaren Liquidität bereits verliehen ist.
→ Eine hohe Quote kann zwar hohe Zinsen bedeuten – ist aber auch ein Frühindikator für Liquiditätsstress.

3. Relative TVL
Total Value Locked hilft einzuschätzen, wie etabliert und belastbar eine Plattform im Vergleich zu Alternativen ist.
→ Geringe TVL bei hohen Zinsen? Klingt verlockend, ist aber oft ein Warnsignal.

Diese Indikatoren sind keine Magie – aber sie geben Struktur. Und genau das ist das Ziel des Frameworks:
Risiken sichtbar und vergleichbar machen, auch ohne 100 Seiten Whitepaper zu lesen oder blind auf APY-Werte zu vertrauen.


4. Drei Plattformen, drei Risiko-Profile

Stell dir vor, du bist Portfolio-Manager bei einer kleinen Krypto-Vermögensverwaltung. Dein Ziel: Ein Teil des Stablecoin-Bestands soll in Lending-Protokolle fliessen, um einen konstanten Ertrag oberhalb klassischer Geldmarktprodukte zu erzielen – aber bitte ohne böse Überraschungen.

Wir nehmen drei Plattformen unter die Lupe: Aave, Compound und Spark. Alle bieten ähnliche Tokens, aber ihr Verhalten unterscheidet sich massiv. Hier sind unsere fiktiven Vergleichsdaten für das Asset USDC:

Plattform APY-Trend (MoM) Utilization Ratio TVL (relativ) Kommentar
Aave -0.3% 43% Hoch Stabiler Markt, konservatives Wachstum
Compound +2.1% 88% Mittel Stark schwankende Nachfrage, reaktiv
Spark +5.6% 97% Niedrig Hohe Zinsen bei kritischer Auslastung, geringes Volumen

Was sagt uns das?

  • Aave ist das DeFi-Äquivalent zu einer soliden Anleihen-Emission mit geringer Volatilität. Der Zins ist leicht rückläufig, aber gut kalkulierbar.
  • Compound wirkt wie ein Geldmarktfonds mit Trend zu Überhitzung – gut für Renditejäger, aber mit Klumpenrisiko.
  • Spark ist das neue, aggressive Produkt: hohe Zinsen, aber geringes Vertrauen im Markt. Wer hier einsteigt, braucht starke Nerven.

Mini-Assessment

Mit Hilfe unseres Frameworks ergibt sich folgendes Risikoprofil:

Plattform Severity Likelihood Persistence Empfehlung
Aave Niedrig Gering Hoch 🟢 Halten / Ausbauen
Compound Mittel Hoch Mittel 🟡 Beobachten / Begrenzen
Spark Hoch Hoch Mittel 🔴 Kleine Beimischung nur mit klarer Exit-Strategie

Das ist keine endgültige Bewertung, sondern ein Ausgangspunkt. Aber genau hier beginnt der Unterschied:

Nicht APY ist die Wahrheit – sondern der Kontext.


5. Drei Plattformen, drei Charaktere – und eine Frage: Wohin mit dem Kapital?

Wer in DeFi Zinsen verdienen will, steht schnell vor der Qual der Wahl. Aave? Compound? Oder doch Spark, der neue Stern am Renditehimmel? Alle drei bieten auf den ersten Blick das gleiche Produkt: Zinsen für hinterlegte Stablecoins. Doch unter der Haube ticken sie sehr unterschiedlich.

Und genau hier setzt unser Risiko-Framework an. Statt uns von Zahlen blenden zu lassen, stellen wir ein paar einfache, aber entscheidende Fragen:

  • Ist der hohe Zins stabil oder nur ein kurzfristiger Lockruf?
  • Wie sieht’s mit der Liquidität aus – kommt man auch wieder raus?
  • Steckt genug Kapital im System, um Stressphasen abzufedern?

Aave – Der zuverlässige Dauerläufer
Aave ist das Rückgrat unseres Stablecoin-Portfolios. Die Zinsen sind solide, aber nicht spektakulär – aktuell leicht rückläufig. Dafür zeigt der Utilization Score gesunde Werte: Rund 48 % der hinterlegten Mittel sind ausgeliehen. Das bedeutet: gute Liquidität, geringe Stressanfälligkeit. Ideal für das Kernportfolio.

Compound – Der nervöse High Performer
Compound macht mit einem Zinsanstieg von +4,2 % auf sich aufmerksam. Klingt gut, oder? Nur leider ist die Auslastung bei alarmierenden 94 %. Das ist, als würde man in eine überfüllte U-Bahn steigen – theoretisch möglich, praktisch unbequem. Wir beobachten Compound weiter, aber aktuell parken wir dort kein Kapital.

Spark – Das riskante Renditewunder
Spark ist neu, schick – und zahlt am meisten. Doch genau das macht uns stutzig. Der APY liegt deutlich über dem Marktniveau, aber Spark hat wenig historisches Volumen und eine hohe Kapitalbindung. Das ist kein Bonus – das ist ein Risikopreis. Wir nutzen Spark nur für eine kleine, aktiv überwachte Testposition.


6. Fazit: Nicht nur auf den Zins schauen – sondern auf die Story dahinter

Ein verlässliches Yield-Portfolio braucht mehr als gute Zahlen. Es braucht Kontext, Vergleichbarkeit – und eine gesunde Portion Misstrauen. Genau dafür haben wir unser Web3 Risk Framework gebaut. Es zwingt uns, strukturiert zu denken, statt blind zu vertrauen.

Und das Beste: Es funktioniert auch mit Stift und Papier. Kein Tool, kein Dashboard – einfach nur ein kritischer Blick auf die Fragen, die wirklich zählen.